Dienstag, 7. April 2015

Verbindung zum Herzen





Wenn man die Sphäre des Herzens betritt, ist man nicht mehr der Mensch, der man außerhalb dieser Sphäre war. Es ist ein wenig, als betrete man einen Tempel und ließe sich von seiner Atmosphäre von Heiligkeit, Frieden und Schönheit berühren und verzaubern. Man streift sein Ego ab, all das, was man vorgibt zu sein. Im Herzen wohnt die schlichte Wahrheit. Man ist bereit sich zu öffnen, sich zu zeigen. Genau wie ein Zufluchtsort, der eine Atmosphäre bietet, in der er oder sie willkommen ist du geachtet wird, heißt auch das Herz alles willkommen, was seine Sphäre betritt. Nicht weil es so gut erzogen ist oder sich solche Mühe gibt, sondern weil das seine Natur ist. In der Sphäre des Herzens gibt es keine Trennung zwischen "ich" und "du", "mein" und "dein". Wenn wir unser Herz einem anderen Menschen öffnen, fühlt es dessen Nöte und Freuden wie die eigenen, und deshalb versteht es, achtet es und erbarmt sich. Dennoch gibt es keine Verwechslung. Auch wenn ich deine Gefühle in meinem Herzen fühlen kann, weiß ich, dass es deine Gefühle sind und nicht meine. Wenn es doch Verwechslungen gibt, wenn ich also Gefühle für meine eigenen halte, die bei Licht besehen gar nicht zu mir gehören, dann ist nicht mein Herz offen, sondern ich habe mich aus psychologischen Gründen in die Emotionen eines anderen Menschen verwickeln lassen oder versuche unbewusst, ihm etwas von seiner Bürde abzunehmen.
Wie kann man Zugang finden zu dieser heilsamen Erfahrung des offenen Herzens? Wie findet man überhaupt sein Herz? Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird. Manchen mag sie unsinnig vorkommen, aber sie ist alles andere als das. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, ein Leben ohne Beteiligung unseres Herzens zu leben, ein Leben, das vermeintlich von unserem Verstand, in Wirklichkeit aber von unseren Ängsten gesteuert wird, dass die meisten von uns tatsächlich keine Ahnung haben, wo das Herz ihres Wesens zu finden ist und woran man erkennt, dass man es gefunden hat. Mir ging es ebenso.
Die Mauern, die wir um unser Herz errichtet haben, sind dick. Sie bestehen aus unserer erstarrten (weil nicht gefühlten) Angst vor unserem tiefsten Schmerz, aus all dem, was wir vor diese Angst geschoben haben, um auch sie nicht fühlen zu müssen, und aus dem, was wir wiederum davor geschoben haben, Schicht um Schicht.
Jede Herzschutzmauer hat aber so etwas wie eine Achillesferse, einen schwachen Punkt. Das Leben meint es offenbar gut mit uns, denn es erwischt uns immer mal wieder an diesem schwachen Punkt. Das ist eine Stelle, an der die Mauer durchlässig ist, und dort können wir doch Schmerz fühlen oder Liebe oder Sehnsucht. Bei dem starken Film- oder Romanhelden ist diese schwache Stelle die Liebe zu einer Frau oder zu seinem Kind. Was ist Dein schwacher Punkt? Was berührt dein Herz besonders, was bringt es zum "Schmelzen"? Bei manchen ist es der Kontakt mit kleinen Kindern oder Tieren oder die Liebe zu einem bestimmten Menschen, bei anderen die Schönheit der Natur, der Gesang der Vögel, der Duft einer Blume, der magische Augenblick des Sonnenuntergangs, die Morgenröte, der Sternenhimmel...Keine Musik, welche die Emotionen in Aufruhr versetzt und Erinnerungen an die Vergangenheit heruafbeschwört, sondern Musik, die an Schönheit, Wahrheit und Liebe erinnert.
Alles, was dein Herz besonders berührt, ist geeignet, den Kontakt mit ihm wiederherzustellen. Vielleicht kennst du einen Menschen, bei dessen Anblick dir das Herz aufgeht. Dann denk an diesen Menschen, um dein Herz zu öffnen. Vielleicht gibt es einen Meister oder ein Gott, den du besonders leibst und verehrst, ein Wesen mit einem offenen Herzen voller Liebe und Schönheit. Dann denk an dieses Wesen, lass dich von ihm berühren, inspirieren, verwandeln. Stell dir vor, dass er oder sie dich anschaut mit Augen, die bis auf den Grund deines Herzens sehen und alles verstehen. Oder versetz dich in dieses Wesen. Stell dir vor, er oder sie zu sein. Wie fühlt es sich an, ein Herz voller Liebe zu haben?
Suche den Kontakt mit Menschen, die ein starkes, offenes Herz haben. Lies Geschichten von Menschen mit Herz. Leg dir ein Tagebuch an, in dem du dein Herz sprechen lässt. Gib deinem Herzen eine Stimme, indem du singst. Frag dein Herz, was es sich wünscht, wonach es sich sehnt, was ihm Freude macht. Frag dein Herz, worunter es am meisten leidet.
Schenk auch deinem physischen Herzen gelegentlich einen Moment Aufmerksamkeit. Leg deine Hand aufs Herz und fühl deinen Herzschlag. Schenke deinem Herzchakra, deinem energetischen Herzzentrum, gelegentlich Aufmerksamkeit. Leg deine Hand auf die Mitte deiner Brust und atme dort hinein. Achte darauf, wie du dich dabei fühlst und welche Gedanken auftauchen. Verbinde dein Herz mit deinem Bauch, indem du die linke Hand aufs Herzzentrum legst und die rechte auf den Bauch. Oder umgekehrt, je nachdem, was sich besser anfühlt. Verbinde dein Herz mit Teilen deines Körpers, die unter Schmerz, Verspannung, Entzündung, oder Erkrankung leiden, indem du die eine Hand aufs Herz legst und die andere auf den betroffenen Körperteil.
Atme mit dem Herzen. Höre mit dem Herzen zu. Fühle dein Herzzentrum, während du mit einem Mensch sprichst. Wenn du ein wichtiges Gespräch führst oder einem geliebten Menschen zuhörst, der dir von seinen Sorgen berichtet, stell dir eine Verbindung zwischen seinem und deinem Herzen vor. Übe, mit dem Herzen zuzuhören statt mit dem Kopf. Übe, dein Herz sprechen zu lassen.
All dies sind Wege, auf denen du Kontakt zu deinem Herzen wiederfindest. Vielleicht regen diese Vorschläge dich an, deinen eigenen Weg zum Herzen zu entdecken.

Aus dem Buch von Safi Nidiaye "Herz öffnen statt Kopf zerbrechen"

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